20. Dezember (Vierter Advent)
Guter alter Ringo (Gabriela Herpell)
Ringo ist jetzt 14. Er ist fit für sein Alter. Aber er ist ein anderer geworden. Er hört fast nichts mehr. Er sieht fast nichts mehr. Und er, der Zeit seines Lebens ein Macho war, ist kein Macho mehr. Er weiß um seine Schwächen. Doch die trägt er mit einer solchen Würde, dass ich heulen könnte.
Im vergangenen Jahr wurde Ringo dreimal von anderen Hunden angegriffen. Es waren Machos wie er. Und er war jedes Mal verletzt, äußerlich ein bisschen, innerlich aber sehr. Er zog sich dann in sein Körbchen zurück, schloss die Augen und bohrte seine Schnauze so tief ins Kissen, wie es ging. Er wollte nichts hören und nichts sehen. Er weigerte sich, nach draußen zu gehen. Am nächsten Tag ging es ihm besser, doch nach der dritten Niederlage änderte sich sein Verhalten. In ihm war die Erkenntnis gereift, dass seine Zeit als starker Hund vorbei war.
Ich weiß nicht, ob Ringo sich daran erinnert, dass er gut hören und sehen konnte. Ich weiß nur, dass er es nicht mehr kann und zurechtkommt, ohne deprimiert zu sein. Ich weiß nicht, ob Ringo sich daran erinnert, dass er früher mit Pferden um die Wette galoppiert ist. Ich weiß nur, dass er jetzt am liebsten gemütlich vor sich hin trabt. Ich weiß auch nicht, ob Ringo sich daran erinnert, dass er ein starker Hund war, und den alten Zeiten nachtrauert. Aber wenn er seinen Bogen um den anderen Hund gemacht hat, schaut er mich kurz mit blanken Augen an, als wollte er sagen, ja, mir schon klar, ich bin kein Held mehr, aber ich mache das ganz gut, oder?
Ich finde, er macht es super. Ich sage ihm das auch. Dann stupst er mich leicht mit seiner Schnauze ans Bein und trabt gemütlich weiter. Ich finde ihn in seiner Schwäche stärker als in seiner Stärke und hoffe, dass ich mich daran erinnere, wenn es Zeit ist.