9. Dezember
„Der Ofen“ von Dorothee Sölle
Als jakob klein war hat er zeitungen ausgetragen
sie lagen im korb vorn am fahrrad
im winter war es früh dunkel und regnete
einmal stürzte jakob mit dem rad
der korb fiel um und die abendausgaben
lagen nass und verdreckt auf dem boden
jakob war elf und es war sein erster job
er muss zuhause angerufen haben konnte aber nicht sprechen
dann kam sein vater sie hoben die nassen papiere auf
zuhause hat vater – sagt jakob – sie einzeln aufgefaltet
und auf den ofen gelegt zum trocknen
er hat mich ganz fest umarmt sagt jakob
er hat nie gesagt dass es nicht wichtig sei
alles wurde warm und trocken
dann fuhren wir zusammen im auto
und mit schwung warf er die getrockneten zeitungen
in die offenen loggien der vorstadthäuser
als jakob diese geschichte erzählte
konnte ich den geruch
von nassem dreckigen zeitungspapier das trocknet
nicht aus der nase kriegen
außerdem fiel mir der martin luther ein
der gott einen backofen voll liebe nannte
daran habe ich eigentlich selten gezweifelt
nur dass ich oft nicht wusste
wo der ofen stand