Das mittelalterliche Banzkow, ein Dorf dem Kloster Zarrentin zugehörig, hat eine lange Kirchentradition. Die hölzerne Sitzmadonna aus dem Jahre 1230 untermauert die Vermutung eines kirchlichen Gebäudes in der Dorfmitte schon seit dem frühen 13. Jahrhundert. Anders als die umliegenden Rittergutsdörfer ist der Banzkower Dorfkern von rohrgedeckten Hallenhäusern der Erbpachtbauern geprägt. Wie das Kirchenvisitationsprotokoll aus dem Jahre 1534 belegt, gehören das Dorf Banzkow mit Kirche nunmehr zum „landesherrlichem Domanium Schwerin“. Bis in die Mitte des 19. Jhd. besaß Banzkow, als Tochterkirche von Plate, ein einfaches hölzernes Dorfkirchlein auf Steinfundamenten. Dessen baulicher Zustand war indessen so schlecht, dass – 1858 vom Kirchengemeinderat beantragt – ein Neubau ins Auge gefasst wurde. Dafür hatte der Großherzog eine Kostenbeteiligung von ca. 2/3 der Bausumme signalisiert und den Baurat Krüger mit einem Entwurf beauftragt.
Gestalterisch sollte sich die Banzkower Kirche an die Paulskirche zu Schwerin anlehnen, als Kosten waren 8000 Reichstaler veranschlagt. Diese Bausumme setzte sich aus 5800 RT Patronatsmitteln und 2200 RT von den 22 Banzkower Erbpacht –
bauern zusammen. Aufgabe des Dorfschulzen wurde es, ab 1865 jährlich 10 Reichstaler einzutreiben, über einen Zeitraum von 10 Jahren, egal wie die Ernten ausfielen. Auch schon um 1860 war eine solide Finanzplanung das eine, die Tatsachen gesellschaftlicher Umstände das Andere. So kam es in Folge des gewonnenen deutsch – französischen Krieges ab 1871 wegen des allgemeinen Baubooms und steigenden Löhnen zu einer Kostensteigerung nur für das Gebäude um fast 60% auf 12.520 Reichstaler (=37.558 neue Reichsmark)!
Über Umfang und Erbringung der allein von den Banzkower Bauern zu tragenden Mehrkosten zeugt der gestreckte Bauablauf:
- Frühjahr 1872: Abriss der alten Dorfkirche,
- September 1872: Grundsteinlegung von Kirchturm, einschiffigem Mittelteil und Chor.
- Neubau einer Backsteinkirche im neugotischen Stil für ca. 350 Sitzplätze.
- Bauleitung: Baumeister Voß aus Schwerin.
- Bauaufsicht: Baurat Junge vom Großherzoglichen Amt (auf einen Architekten wurde aus Kostengründen verzichtet)
- Ausführung: als Saalbau mit freier Sicht zum Altar ohen Stützsäulen – mit drei Hauptgebinden.
- Maurerarbeiten: Maurermeister Heese aus Crivitz ( 180.000 Ziegel, 1.100 Formsteine, 5.200 Fußbodenfliesen)
- Zimmererarbeiten: Turmdachstuhl, Innen – und Außendachstuhl des 23 Meter langen Mittelteils und Chordachstuhl von Zimmermeister Heinz aus Crivitz.
- Tischlerarbeiten je 2 x 15 Bankreihen plus Ehrenplätze a. d. südlichen und nördlichen Altarseite von Tischlermeister Maybom aus Crivitz.
- Ab 1875 restliche Tischlerarbeiten: in Schitzarbeit ausgeführte Kanzel, Orgelempore, Liedtafeln und den Altaraufsatz durch Tischlermeister Peo aus Schwerin, Kosten 1.955 Reichstaler.
- Glaserarbeiten: neun Hauptfenster sowie Turm – und Sakristeifenster von Glasermeister Wendler aus Schwerin.
- Malerarbeiten innen und äußere Ausfachungen Chorraum durch Malermeister Hollub puttygen download , Schwerin.
- Dachdeckermeister Erdt aus Wittenburg: Glockenturm mit Schieferplatten, Mittelschiff und Chor mit Dachziegeln.
- Das Altarbild „Jesus am Kreuz in Gethsemane“ analog dem Original in der Serrahner Kirche, ausgeführt von Altarbildmalerin Clara Möller aus Rostock.
- Schmiedemeister Thiel aus Banzkow zeichnet verantwortlich für die Kunstschmiedearbeiten.
- Wiederverwendet wurde die Turmglocke von 1509.
- Neu angeschafft wurde ein gusseiserner Heizofen, der leider heute nicht mehr funktioniert, sowie ein Taufbecken aus Kunststein.
Richtfest wurde im Februar 1873 gefeiert, die Bauabnahme durch das Großherzogliche Amt erfolgte im April 1875. Die feierliche Kirchweihe folgte am 02.05.1875.
Nachträglich eingebaut wurde die Turmuhr zur Straßenseite von Hofuhrmacher Dreyer aus Schwerin nach Aufbringung weiterer 225 Reichstaler(675RM). Erst im Jahre 1884 errichtete Orgelbaumeister Friese III aus Schwerin die Orgel.
Interessant ist die Kirchennutzungsordnung von 1875 für die 900 Einwohner darunter ca. 290 Kinder:
- Altarseite Nord: Ehrenplätze für Jäger, Müller,Krüger und für den Kirchenjurat.
- Altarseite Süd: Pastor und Familienangehörige aus Plate, Lehrer, Gemeindevorstandsmitglieder einschl. Dorfschulze, Bürgermeister, Erbpächter Wöstenberg als Bürgersprecher, restliche freie Plätze für 50 bis 75 Reichspfennige Miete.
Sitzplätze im Kirchenschiff: grundsätzlich die Männer auf der Südseite, Frauen auf der Nordseite (links). Jeweils die ersten 6 Bankreihen für die 22 Erbpachtbauern, Reihen 7 – 12 mit Namensschild für die Banzkower Büdner, Reihen 13- 15 für Häusler und Einlieger. Das Gesinde (Mägde und Knechte) musste auf Zustellbänken ohne Lehne und Fußbrett ganz hinten – heute die Winterkirche – Platz nehmen.
So konnte alle Banzkower über viele Jahre ihre wunderschöne Kirche nutzen. Für Gottesdienste, Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Beerdigungen wurde der Pastor aus Plate mit einem Pferdegespann abgeholt.
Einen schweren Rückschlag gab es zum Ende des Zweiten Weltkrieges, als in unmittelbarer Nähe Bomben fielen, Das 60 cm starke Mauerwerk hielt dem Druck zwar stand, nicht aber die wertvollen, bleiverglasten großen neugotischen Fenster! Erst Ende der vierziger Jahre wurden, nachdem die Fenster notdürftig mit Bretter verschlossen waren, wieder neue Fenster eingebaut. Dem Handwerker – und Materialmangel der Nachkriegszeit geschuldet, bedürfen sie heute dringender Erneuerung.
Auch an dem Kirchengebäude selbst – insbesondere Dachaufbauten und Fassaden – haben 40 Jahre kirchenfeindliche DDR – Mangelwirtschaft deutliche Spuren hinterlassen.
So wurde im Jahre 1994 das Kirchenschiffdach beidseitig neu eingedeckt. Leider entsprechend der neuen Vorschriften: vom billigsten Anbieter, einem unbekannten Wanderdachdecker, ohne Sanierung des bereits stark durch Fäulnis geschädigten, tragenden Dachstuhls. Und so war es nur eine Frage der zeit, bis Schlimmeres geschah. Herabgestürzte Gipskapitele im Innenraum waren untrügliche Zeichen einer Dachabsenkung. Und so musste die Kirche im Jahre 2005 für ca. ein Jahr lang gesperrt werden. Sechs stählerne Gitterstütztürme unter den Hauptgebindeträgern ermöglichten wenigsten Heiligabend 2005 einen Gottesdienst.
Jetzt waren Fachleute gefragt. Über den Sanierungsbedarf von insgesamt rund 450.000 € war man sich einig, aber wie aufbringen? Das konnte nur in Bauabschnitten geschehen. Für einen ersten Bauabschnitt – Sanierung des Kirchenschiffdaches und der Außenfassaden – wurden ca. 140.000€ veranschlagt. Da die Banzkower Einwohner keine Ruine im Dorfzentrum haben wollten, hat sich auch die Gemeinde mit 40.000 € beteiligt. Zur Unterstützung des Kirchgemeinderates wurde ein Förderkreis zur Erhaltung der Banzkower Kirche gegründet. Dieser unterstützt durch vielfältige Initiativen die alljährliche Fortsetzung der Sanierungsarbeiten durch Spendenmittel als Ergänzung der Eigenanteile der Kirchengemeinde auch weiterhin.
Weihnachten 2006 konnte dann in Anwesenheit des Bischofs und des Superintendenten die Banzkower Kirche feierlich wieder eingeweiht werden. Der Förderkreis erstellte ein Bautagebuch und entwickelte gemeinsam mit dem bauleitenden Architekturbüro einen mehrjährigen Bauleitplan. So konnten 2007 die Turmuhr saniert und elektrifiziert werden. Im Folgejahr bildete die Sanierung des Glockenstuhls und der Einbau eines elektrischen Geläutes den Schwerpunkt. In den Jahren 2009/2010 wurde das Dachgebälk des Chores und deren Stützpfeiler saniert. Seit 2012 verbesserten sich die Bedingungen für die Gottesdienstbesucher durch den Einbau von elektrischen Unterbankheizungen an je 10 Bankreihen rechts und links. Die östlichen, chorseitigen Stufengiebel wurden 2013 grundsaniert und im darauffolgenden Jahr die Stufengiebel, der obere Fassadenteil und das Dach samt Gebälk, der Nordsakristei. Diese wird nun in Eigenleistung des Förderkreis im Inneren weiter saniert, um sie einer Nutzung zuzuführen.
Im Jahre 2015 konnten in gemeinsamer Anstrengung von Nordkirche, Kirchengemeinde und Förderkreis die ersten beiden der insgesamt neun Großfenster in hoher Qualität erneuert werden.
Insbesondere in den Sommermonaten, ermöglicht durch die Initiative „Kirche offen“ besuchen viele Touristen, Gäste und ehemalige Banzkower unsere außergewöhnliche, wunderschöne Dorfkirche. In gleicher Weise sind die Konzertveranstaltungen zu nennen.
Etwas ganz Besonderes ist das abendliche Anstrahlen unserer Dorfkirche in der Adventszeit. Die Banzkower Kirche hat ihre beste Zeit noch vor sich.
Verfasser: Karl Liebeheim
Quellennachweis:
- Staatliches Archiv zu Schwerin,
- Bauausschuss des Kirchengemeinderates
- Unterlagen, Presseveröffentlichungen des Förderkreises